Schattenhaushalt
Von der Politik lernen heißt siegen lernen: Wir haben bei uns zu Hause zum Beispiel eine Anregung der jüngsten Tage aufgenommen und einen Schattenhaushalt eingerichtet: Auf einen Extra-Stapel kommt sämtliches dreckige Geschirr, das nicht in die Spülmaschine darf - die geleimten oder sonstwie empfindlichen Holzbrettchen, das Silberbesteck von Tante Fränze, die alten Porzellanteller, die nicht spülmaschinenfest sind und so weiter.
So wird das unempfindliche Zeug in die Maschine geschmissen, während der Abwasch des Problemgeschirrs später einmal in ruhigeren Zeiten erledigt wird. Das geht nicht immer ohne Konflikte ab: Während Birgit es als untrügliches Zeichen einer anspringenden Konjunktur deutet, wenn die Spülmaschine möglichst oft und laut scheppert und rumpelt, sehe ich hierin doch auch deutliche Gefahren - zum Beispiel, dass die Bemalung der alten Teller an Transparenz verlieren oder das Besteck hässliche Flecken bekommen könnte.
Mitunter bezeichne ich die Spülmaschine im privaten Rahmen sogar als Geschirr-KZ, was natürlich in der wirklichen Politik ziemlich bescheuert wäre. Denn Diskurse in die NS-Zeit sind oft problematisch - siehe Oettinger.
Dabei ist es doch nichts Besonderes, dass Dinge, die privat in Ordnung gehen, in der Politik schwer umstritten sind: Der laute Aufschrei, den es bei der Ankündigung des öffentlichen Schattenhaushalts gab, ist seit der Verwirklichung unserer privaten Variante bisher ausgeblieben: Unsere Gäste haben sich noch nie über den Zustand unserer Küche beschwert; Es gab keine Abmahnung der Hausverwaltung, keine Androhung der baupolizeilichen Sperrung der Wohnung; nicht einmal der Kammerjäger musste kommen.
Karlshorst Customs
Frisch grundierter Rahmenkopf des Käfers von untenDie Temperaturen erreichen derzeit langsam die Grenze, unterhalb derer Lackarbeiten nicht mehr gut möglich sind. Also sollte die letzte Lackschicht dringend auf das Chassis.
Alfa-Peter und Pees haben die letzten Tagen genutzt, um die Karlshorster Garage richtig auszumisten, Licht anzuschließen und neue Regale zu bauen und einzuräumen. Also herrschen jetzt eigentlich ideale Schrauberbedingungen, mal abgesehen davon, dass Alfa-Peter, der Chaot, jetzt sein Werkzeug nicht mehr findet, seit es ordentlich in Schubladen einsortiert wurde.
Außerdem wurde bei der ganzen Räumerei so viel Staub aufgewirbelt, dass auf dem frisch lackierten Käfer-Chassis schon wieder eine Staubschicht liegt. Ich nutze den verregneten Tag heute für die Grundierung des Rahmenkopfes. Außerdem bekommt die rechte Bodenhälfte und der Rahmentunnel eine Endlack-Schicht.
Bewährte Dienstleistungen aus meiner Gegend
Schon längere Zeit trage ich die Idee mit mir herum, in diesem Blog bewährte Dienstleistungsbetriebe aus meiner Gegend vorzustellen.
Geboren wurde diese Idee, als ich eines Tages im Schaufenster des Bestattungs-Discounts in der Frankfurter Allee, Nähe Niederbarnimstraße, ein Schild mit der Aufschrift "Nie wieder zu viel bezahlen" neben einem Sarg sah. Schlagartig wurde mir klar, dass dieser Laden dringend mediale Erwähnung braucht, da seine zufriedenen Kunden nicht mehr viel Werbung für ihn machen können.
Es gab sogar schon einmal einen ersten Versuch für das Dienstleistungsprojekt Ende 2007, als die neuen Läden der Proskauer Straße in einem
Jahresrückblick vorgestellt wurden. Meist scheiterte eine fundierte Recherche aber daran, dass die Läden schnell wieder verschwunden waren. So wohl bald auch Folgender: "Quadrazi" (mit ziemlich viel Scrollen zu finden bei
www.boxhagenerplatz.de) sucht für den Laden in der Niederbarnimstraße 5 einen Nachmieter. Interessant ist, was auf dem Schild im Schaufenster steht: "Nicht erwünscht" sind demnach:
- Gastronomie sämtlicher Art,
- Spätverkaufsstellen,
- Internetcafés.
Also macht dort demnächst wohl noch eine neue Boutique oder ein Friseur auf? Auch Blumengeschäfte gibt es erst zwei in der Niederbarnimstraße.
www.innerfields.de
Mein Freund Holger war mit seinem Innerfields-Projekt am Freitag in einem Beitrag des RBB-Fernsehens zu sehen:
http://www.rbb-online.de/zibb/archiv/zibb_vom_09_10_2009/wandmalerei_erinnert.html (Der Link ist nur noch bis zum Ende der Woche aktiv).
Es ging um eine Wandmalerei auf dem St. Matthäus-Friedhof in Schöneberg.
Weitere innerfields-Projekte gibt es hier:
www.innerfields.de
Schönes Chassis
Mal wieder Zeit für eine neue Folge der beliebten Serie "Karlshorst Customs". Mit der Garage draußen hatte ich mit meinen Schrauberfreunden ja nicht immer nur Freude. Natürlich wussten wir um die Geschichte dieses schönen Berliner Ortsteils, in dem die Russen jahrzehntelang ihre Geheimdienstzentrale hatten. Dass russische Regeln (oder das, was wir dafür halten) hier immer noch Gültigkeit zu haben scheinen, befremdete uns dennoch.
Auf der Suche nach einer Alternative fanden wir in Oberschöneweide eine sehr schöne Halle, für die wir schon fast einen Mietvertrag hatten. Allerdings hatte das Projekt den Nachteil, dass fast alles, was wir mit dem Beauftragen des Verwalters mündlich aushandelten, immer nur wenige Tage Bestand hatte. Zweimal platzte die Unterzeichnung des Vertrages in letzter Minute.
Irgendwann wurden wir dann auf eine marode Halle auf dem RAW-Gelände in Friedrichshain aufmerksam. Super gelegen - für die meisten von uns in fußläufiger Entfernung. Nachbarn warnten zwar, dass die Verwaltungsgesellschaft nahezu insolvent sei und schon das Metall aus den alten Hallen herausreissen und verkaufen würde, um an Bares zu kommen. Dennoch sagte uns ein Verwalter, dass wir ihm doch einmal eine Mail schicken sollten. Mich verwunderte damals schon die schicke Westberliner Adresse auf der Visitenkarte. Wir hörten dann nie wieder etwas von dem Mann.
Vor ein paar Tagen sah ich bei einem TV-Sender, der gemeinhin für seine Unterschichtenzielgruppe ("Männerfernsehen") verpönt ist, die Ankündigung einer neuen Serie: "
Westcoastcustoms Berlin".
Ein Ableger der MTV-Pimper hat auf dem RAW-Gelände eine Tuning-Garage aufgemacht. Der erste Kunde war einer der Klitschko-Brüder. Nun gut, mit derlei Mitbewerbern können wir natürlich nicht mithalten. Also schrauben wir weiter in Karlshorst bei den echten Russen.
Und das Käfer-Chassis ist mittlerweile ganz schick geworden. Es fehlt noch der Endlack auf einer Bodenhälfte - aber sonst gilt der alte Wahlspruch von Erich Honecker: "Vorwärts immer- rückwärts nimmer!"
Das verlorene Maß der Mitte
Heute lösen sich alle Maßstäbe auf: Auf dem Areal zwischen Fernsehturm und Rotem Rathaus, wo morgens meist noch Obdachlose campieren, wenn ich zur Arbeit fahre, räkelte sich heute eine Riesin. Sie hatte offenbar vor dem Rathaus genächtigt und schaute nun neugierig zu den Kindergartengruppen hinüber, die sich versammelt hatten.
Sie hatte auch ein Schiff mitgebracht. Das war zwar normal groß und so verrostet, dass es eigentlich recht gut zu Berlin passt. Aber immerhin ist der Rathausvorplatz doch wohl ein recht ungewöhnlicher Ort für ein Schiff.
Einige hundert Meter weiter ist neuerdings ein weiterer Beweis für einen verlorenen Maßstab zu finden: Auf den ersten Blick scheint es, als ob der Palast der Republik wieder aufgebaut wurde. Allerdings wirkt er merkwürdig klein. Bei näherem Hinsehen erweist er sich als die
Temporäre Kunsthalle Berlin, die sich mit einer neuen Außenfassade der Künstlerin Bettina Pousttchi schmückt.
Auf der Webseite der Kunsthalle heißt es:
Das flächendeckende, umlaufende Motiv erinnert, durch digitale Bildbearbeitung verfremdet, an den ehemaligen Palast der Republik. An dem historisch und politisch brisanten Ort befragt diese Installation den öffentlichen Umgang mit Vergangenheit und kollektiver Erinnerung.
Die Brisanz des Ortes erfahre ich heute am eigenen Leibe: Gerade als ich das Foto machen will, gibt es einen dumpfen Knall und eine riesige Wasserfontäne schießt aus dem Boden - fast so hoch wie das Gebäude selbst. Umstehende Passanten werden nass. Bauarbeiter kommen eilig aus einem Zelt neben der Havariestelle. Eine aufgebrochene Teerdecke und ein Loch im Boden bleiben zurück. Die spinnen alle in Mitte.