Element of Crime bei der Fête de la Musique
"Früher haben wir hier gewohnt, jetzt spielen wir hier - super Sache", so kündigte Sven Regener von Element of Crime seinen Hit "Delmenhorst" an, als er heute live bei der F
ête de la Musique - nein, nicht in Visselhövede, sondern auf dem Oranienplatz vor dem Kuchenkaiser - spielte.
Ein überraschendes Konzert, denn die Band war lange als "Surprise" angekündigt worden. Nur Leute, die einen Element of Crime-Newsletter abonniert hatten wurden frühzeitig über den Auftritt informiert. Und so hielt sich das Gedränge vor der Bühne in erträglichen Grenzen - trotz des gleichzeitig stattfindenden CSD am Oranienplatz.
Es war ein schöner Auftritt, so sah es wohl Sven Regener selbst, der das Publikum mit einer zwischenzeitlichen Selbstermunterung amüsierte: "Bis jetzt läuft´s ja ganz gut". Als die Fans nach dem letzten Lied eine Zugabe verlangten, kamen die fünf Musiker schnell wieder auf die Bühne zurück und Sven Regener war endgültig zufrieden: "Ich habe ein bischen darauf spekuliert. Das gebe ich ganz ehrlich zu."
Super Sache, kann ich da auch als Friedrichshainer nur sagen. In diesem Fall hat sich der Ausflug nach Kreuzberg gelohnt.
Die Hits, die heute gespielt wurden:
- Schade, dass ich das nicht war
- Lieblingsfarben und Tiere
- Rette mich vor mir selber
- Am Ende denke ich immer nur an Dich
- Am Morgen danach
- Liebe ist kälter als der Tod
- Delmenhorst
- Weißes Papier
Natürlich gab es auch in Friedrichshain schöne Konzerte, wie hier vor dem "Abgedreht".
Eine starke Konkurrenz für die Fête de la Musique waren in diesem Jahr die zahlreichen Kneipen, die statt einer Bühne Großbildschirme oder gar Leinwände draußen aufgebaut hatten, auf denen die WM-Fußballspiele gezeigt wurden.
Einige junge Menschen - wie hier vor dem neu eröffneten Noa Black, einer "Zweigstelle" der altbekannten Noa Lounge in der Boxhagener Straße - ließen sich nicht einmal davon stören, dass sie das Bild von der Rückwand der Leinwand seitenverkehrt sehen mussten (Bildvordergrund). Im Hintergrund formierte sich unterdessen gegen 23:00 Uhr die traditionelle Demo für den Erhalt kultureller Freiräume, die wummernd durch die Straßen zog und dem längsten Tag des Jahres damit einen würdigen Abschluss verlieh.
"Lange Nacht der Rigaer Straße"
In Berlin gibt es die "Lange Nacht der Museen", die "Lange Nacht der Wissenschaften", die "Lange Nacht der Industrie" - ja sogar eine "Lange Nacht des Tauchens" wird seit 2006 begangen. Überraschen konnte es also nicht, dass pünktlich zum Mittsommer nun für gestern erstmals eine "Lange Nacht der Rigaer Straße" angekündigt wurde.
Der Verlauf der im Internet propagierten Veranstaltung wich - obwohl es an interessiertem Publikum durchaus nicht mangelte - allerdings von dem der vorgenannten anderen Nächte ab, die allgemein als bewährte Formate gelten. Laut Polizeibericht befanden sich gegen 19 Uhr "etwa 80 bis100 Personen an der Rigaer Ecke
Liebigstraße. Durch weiteren Zustrom wuchs die Zahl der Personen auf bis
zu 300 an, die gegen 21 Uhr die Kreuzung als auch die Rigaer Straße
zwischen der Silvio-Meier- und Samariterstraße blockierten. Durch die
Personen wurden Baumaterialien und Holzpaletten auf die Fahrbahn
gebracht und angezündet."
Es folgte die übliche Folklore nach bekanntem Muster: Die Polizei versuchte ein Übergreifen der Flammen auf Fahrzeuge und Häuser zu verhindern. Dies wurde von den Freunden der "Langen Nacht" als Versuch gewertet, den Spaß zu verderben. Beamte wurden attackiert, Festnahmen folgten, schließlich löschte die Feuerwehr die Flammen. Die Bilanz laut Polizei: 26 verletzte Beamte, von denen einer seinen Dienst quittieren musste, neun Festnahmen, 19 Strafanzeigen unter anderem wegen Landfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstand sowie Verstoß gegen das Versammlungsgesetz.
Gegen halb drei hat sich die Lage beruhigt. Auf der Kreuzung Liebig- Ecke Rigaer Straße dröhnt ein Generator. Er versorgt Scheinwerfermasten mit Strom, die die Polizei aufgestellt hat, um die ausgefallene Straßenbeleuchtung zu ersetzen. Auf der Straße mischen sich Fußballfans, die zum WM Spiel Elfenbeinküste gegen Japan in die umliegenden Kneipen strömen, mit "Lange Nacht"-Aktivisten, die vereinzelt Böller zünden. Als das Spiel um drei Uhr angepfiffen wird, sind einige Straßenblocks noch für den Autoverkehr gesperrt, doch die Polizei, die mit vielen Fahrzeugen anwesend ist, hält sich jetzt eher im Hintergrund. In der Silvio-Meier-Straße ruft ein Punk in ein Einsatzfahrzeug hinein: "Guten Abend, haben Sie vielleicht ´ne Mark für mich?" Im Mannschaftswagen versteht man erst nicht. "Ob Sie vielleicht eine Mark für mich haben," wiederholt der Mann seine Bitte. "Nein? Na dann wünsche ich noch eine schöne Nacht." Die Elfenbeinküste besiegt Japan mit 2:1.
"Noa Black" eröffnet
Seit gestern ist die Bar "Noa Black" eröffnet, ein Ableger der Noa Lounge in der Boxhagener Straße. Der neue Laden befindet sich an der Ecke Frankfurter Allee - Proskauer Straße und verfügt über eine große Terasse, auf der aus schwarz lackierten Holzpaletten zusammengezimmerte Bänke auf ihr Publikum warten. Pünktlich zur Fußball-WM ist damit nach wochenlangen Vorbereitungen eine weitere Bar offen, die sich durch die Übertragung der WM-Spiele einen kräftigen Umsatzschub erhofft.Geboten werden neben Fußball natürlich auch Shishas und Cocktails, eine Mischung, die in der Nähe der Simon-Dach-Straße immer geht.
Eigentümerversammlung
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Blick von der Dachterasse unseres Hauses |
Heute,Donnerstag, 17:15 Uhr: Im Konferenzsaal
eines Treptower Hotels beginnt die Eigentümerversammlung unseres
Hauses. Einige altbekannte Nachbarn sind anwesend, aber ich sehe auch
viele mir neue Gesichter im Saal. Die meisten Wohnungen sind erst
innerhalb der letzten zwei Jahre vom Generalunternehmer verkauft
worden. Der hat seit kurzem keine Mehrheit mehr und so hat der Beirat
beschlossen, eine außergewöhnliche Wohneigentümerversammlung
(WEG-Versammlung) einzuberufen. Die Hoffnung des Beirats und der
Hausverwaltung: Die Versammlung möge eine Erhöhung der
Instandhaltungsrücklage beschließen, denn im Falle einer größeren
Havarie stünde kaum Geld für dringende Reparaturen zur Verfügung.
Neun Cent pro Quadratmeter beträgt die Rücklage heute. 80 Cent hält
der Beirat für nötig – eine Erhöhung, die der Generalunternehmer
bei der letzten Versammlung noch abgelehnt hatte. Ohne große
Begründung – doch das Interesse ist klar: Wer seine Wohnungen
verkauft, möchte nicht noch Geld in eine Rücklage stecken, die der
Vorsorge dient.
Wer hingegen gerade eine Wohnung
gekauft hat, möchte den Wert des Gebäudes erhalten und in der
Zukunft vor unliebsamen Überraschungen sicher sein. Also brandet
sofort eine heftige Diskussion auf. „Warum will die Homecenter die
Rücklage nicht erhöhen,“ fragt – leicht naiv – eine
Neubesitzerin, die den Kapitalismus noch nicht ganz verstanden hat.
Die Fronten sind klar – nur die Mehrheiten anfangs noch unsicher.
Es mischen sich Eigentümer mit polnischem, russischen, französischen
oder fränkischen Akzent ein. Bei einigen wird schnell klar, dass sie
vorher noch kein Wohneigentum besessen haben oder sich zumindest
nicht mit dem deutschen WEG-Gesetz auskennen. Die Diskussion schweift
ab, was in diesem Fall ganz gut ist. Denn dies gibt den
Vertreterinnen der Verwaltung die Möglichkeit, die Zahl der vorab
eingegangenen Ja-Stimmen zu ermitteln. Das Ergebnis sieht zunächst
nicht gut aus für den Antrag des Beirats. Der Generalunternehmer
scheint noch eine kleine Mehrheit zu haben, mit der er die Erhöhung
ablehnen könnte. Die Einzeleigentümer spielen auf Zeit: Die
Diskussion wird fortgesetzt in der Hoffnung, dass noch jemand
verspätet zu der Versammlung stößt. Plötzlich wird die Tür
geöffnet. Es kommt jemand hinein, auf den sich nun sofort die Blicke
richten. Eine Vertreterin der Verwaltung geht zu der Person und lässt
sich die Anwesenheitsliste abzeichnen. Kurze Instruktion, es wird
nochmals erläutert, in welchem Tagesordnungspunkt man sich befindet,
Verlesung des Antrags – dann Abstimmung. Die Spannung steigt, als
die Ja-Stimmen ausgezählt werden. Dann Jubel und Applaus. Es gibt
eine Mehrheit für den Antrag, wenn auch nur mit wenigen Stimmen.
Es folgen weitere Anträge, bei denen
sich der Generalunternehmer durchsetzt, zum Beispiel als es darum
geht, den Wirtschaftsplan zu beschließen oder eine Rücklage für
eine rechtliche Beratung zu bilden. Der Beirat schätzt es als
wahrscheinlich ein, dass mit dem Generalunternehmer demnächst ein
Rechtsstreit zu führen ist, weil es unterschiedliche Auffassungen
darüber gibt, ob die vertraglich vereinbarten Sanierungsleistungen
vollständig und nach dem Stand der Technik durchgeführt wurden.
Die beiden Vertreter des
Generalunternehmers haben einen schweren Stand in der Versammlung.
Doch offenbar sind sie derartige Situationen gewohnt. Betont lässig
schmettern sie alle Anwürfe ab: Mal, indem sie sich in technische
Details flüchten, die bald niemand mehr versteht; Mal, indem sie
Frontalangriffe scharf entgegnen („Auf diese polemische Frage
antworte ich nicht.“); Mal auch, indem sie nicht bestreitbare
Versäumnisse, die ihnen vorgeworfen werden, als „Mißverständnis“
bezeichnen, das ihnen leid tue. So plätschert die Veranstaltung
zwischenzeitlich etwas seicht dahin, bis es zu einem abschließenden
Showdown zwischen dem Beirat und dem Generalunternehmer kommt.
Dennoch wird der Beirat anschließend – bei einer Enthaltung des
Generalunternehmers – für ein weiteres Jahr wiedergewählt.
Beifall. Letzter Tagesordnungspunkt ist die Information über den
Stand der Sanierungsarbeiten. Hier gibt sich der Generalunternehmer
zunächst überrascht darüber, dass er berichten soll: „Ich habe
davon erst vor einem Tag erfahren“, lautet die wenig glaubhafte
Ausrede. Dennoch gibt er anschließend einige Informationen preis.
Als Eindruck bleibt, dass dieser Unternehmer nichts freiwillig tut
und vermutlich sogar die vertraglich zugesicherten Leistungen gegen
ihn eingeklagt werden müssen: Die versprochenen Parkplätze kommen
nicht; die rückwärtige Fassade wird nun doch nicht gestrichen;
nicht einmal die Löcher im Putz sollen ausgebessert werden. Und auch
das Prunkstück des Hauses, die mit Kacheln verkleidete Fassade der
Vorderseite bleibt vermutlich unvollendet: „Nur die Kacheln, die in
den Anlagen der Kaufverträge farbig markiert sind, werden ersetzt“.
In den Kaufverträgen sind allerdings nur die Flächen markiert, an
denen Kacheln großflächig fehlten. Kleinere Lücken und lockere
Kacheln wurden nicht erfasst. Hier werden sich die Käufer
gegebenenfalls darauf berufen müssen, dass ihnen mündlich beim Kauf
in Anwesenheit des Notars versichert wurde, dass die komplette
Fassade instand gesetzt wird. Der Umgang mit dem denkmalgeschützten
Ensemble ist beschämend – und Resultat einer Politik der
Verhökerung des Erbes einer Stadt, die auch in der Vergangenheit
schon sehr viel ihrer historischen Bausubstanz verloren hat.
Angekündigte Sanierungsarbeiten finden nicht statt
Seit letzter Woche hängt ein Zetel am Anschlagsbrett der Hausverwaltung: Ab heute soll ein Gerüst für die überfällige Balkonsanierung errichtet werden. Die Bewohner mögen bitte ihre Balkone frei räumen. Schade eigentlich um die schönen Blumen, denke ich. Doch die Gerüstbauer lassen sich heute nicht blicken. Anruf bei der "Homecenter", die die Bauarbeiten koordinieert: "Nein, heute mit Sicherheit nicht. Die Blumen können vorerst drauf bleiben." Ob und wann die Balkone saniert werden, bleibt also weiter unklar.
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"Sieht aus, als ob bei der Sanierung das Geld ausgegangen ist," meinte kürzlich ein Passant. Die ursprünglich einmal geplante Instandsetzung der rückwärtigen Fassade der "Stalinallee"-Häuser lässt auf sich warten. |
Erntezeit
Die Natur arbeitet also auch Vorgänge hintereinander ab, zumindest in der Stadt. Die Erdbeeren auf dem Balkon werden niemals gleichzeitig rot.