Als ich heute von der Garage nach Hause komme und Sachen in den Keller bringe, werde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs dreier Jugendlicher. Die Jungs saßen draußen auf der Kellertreppe und ahnten wohl nicht, dass drinnen durch das Kellerfenster alles zu hören war. Ich wurde aufmerksam durch den Satz: "...darum will ich sie ja überfallen." "Aber sie kennt uns, Mann", gab ein anderer zu bedenken. "Aber was will sie denn machen? Zur Polizei gehen?" Aus dem weiteren Gespräch wurde der Plan klar: Der Spätverkauf in der Straße soll überfallen werden. Die Jugendlichen regten sich darüber auf, dass die Inhaberin den Wodka teurer verkauft als sie ihn einkauft. Das hatten die Jungs also bereits herausgefunden - ein Skandal! Dann ging es auch um Gras: "Die soll uns das Gras rausgeben und 500 Euro", war ein Vorschlag. Ein anderer lautete: "Wir gehen rein, nehmen die Einnahmen aus der Kasse und das Gras, lassen die Jalousien runter von dem Laden - und raus." "Ja - wir gehen als Jogger verkleidet da rein, so mit Basecap tief im Gesicht..." Auch die zu erwartende Gegenwehr wurde diskutiert: "Die hat keine Leute, Mann!" - "Ja, nur die Neger. Die haben alle keine Waffen. Außerdem haben die alle bei ihr Schulden." "Schlau ist die. Die weiß, wie man Kohle macht. Aber die hat keine Leute." "Bei der wurde doch schon mal eingebrochen." Die Jugendlichen redeten sich so richtig in Fahrt. Fast folgerichtig kamen sie so auch auf die etwa 14-jährige Tochter der Spätverkaufsbetreiberin zu sprechen: "Ich schwöre, wenn wir der 1000 Euro bieten, lässt die uns mit ihrer Tochter...".
Soll ich so etwas nun ernst nehmen? Einerseits berichtet der Polizeiticker von mehreren Überfällen auf Supermärkte und Spätverkaufsstellen in Friedrichshain in den vergangenen Wochen. Auch ist ganz klar, welcher Laden gemeint war. Dass dort Dope gehandelt wird, ist gut vorstellbar. Andererseits schienen es drei eher naive Jugendliche zu sein, die sich auf einen Joint in einen Kellerabgang zurückgezogen hatten und ihren Phantasien freien Lauf ließen. Sind angeblich überhöhte Wodka-Preise als Motiv ernst zu nehmen?
Schönes Wetter - aber im Bezirk ist gereizte Stimmung. Die ganze Frankfurter Allee entlang ab Frankfurter Tor stehen Polizeiautos. Gerade eben wurde die Allee ab Frankfurter Tor in Richtung Osten gesperrt. Von der Friedenstraße aus fuhren vorhin sogar ein Räumpanzer und ein Wasserwerfer in Richtung Straße der Pariser Kommune. Wollen die sich von der Kreuzberger Seite aus von hinten anschleichen? Das wäre doch gemein! Nein. Heute ist nicht die Fortsetzung der Demos der vergangenen Tage. Heute ist Todestag von Silvio Meier, der vor 17 Jahren hier im U-Bahnhof Samariterstraße ermordet wurde.
Am besten gefällt mir an der indymedia-Meldung vom letzten Posting eigentlich folgender Satz, der möglicherweise die verbreitete These stützt, Hausbesetzer/innen seien in der Mehrheit verkappte schwäbische Spießerkinder: "[Wir] empfehlen dringend allen, die für Polizei und Staatsanwaltschaft interessant sein könnten, das Zimmer, die Wohnung o.ä. aufzuräumen." Wenn ich also das nächste Mal durch die Rigaer Straße gehe, werde ich darauf achten, ob auch alle Fenster frisch geputzt sind.
Heute gab es erneut eine Demo im Kiez. Vorausgegangen waren gestern offenbar Durchsuchungen zweier Häuser in der Liebigstraße, von denen indymedia berichtet. Während gestern nur einige Dutzend Sympathiesanten/innen von der Rigaer Straße aus in Richtung Simon-Dach-Straße zogen, war der Demonstrationszug heute deutlich größer, vielleicht einige wenige hundert Personen. Die Polizei trat behelmt und mit einer großen Anzahl von Beamten auf. Aus der Demo wurden "Anticapitalista"-Rufe und Schmähungen gegen die Polizei laut. Vereinzelt wurden Leuchtraketen in der Farbe der Wahl gezündet. Als Hintergrund der Durchsuchungen vermuten Bewohner/innen der betroffenen Häuser selber offenbar Ermittlungen wegen der Brandanschläge auf Autos. Laut indymedia wurde unter anderen nach einem Schloss für einen von der Polizei gefundenen Schlüssel gesucht. Ich ärgere mich immer, wenn ich nach einem Schlüssel suchen muss, den ich vielleicht verlegt habe. Dass die Suche nach dem dazu passenden Schloss ebenfalls viel Ärger mit sich bringen kann, hätte ich bisher nicht gedacht...
Die Baustelle hinter dem Haus ist fertig. Schade, denn ich hatte mich an sie gewöhnt: In der Frühe des 29. Juni war plötzlich ein Bagger aufgetaucht und hatte ein tiefes Loch in der Liebigstraße ausgehoben. Einige Tage lang wurde an einem großen Kanalrohr in der Tiefe etwas repariert. Dann kam der Bagger wieder und schaufelte das Loch zu. Fast zu. Denn die letzten 20 Zentimeter und die Asphaltdecke sparte man sich. Vier Monate lang tat sich überhaupt nichts. Die provisorische Absperrung, ein Holzbalken, der auf der einen Seite in einen Zaun gehängt und auf der anderen auf einen Rohr-Rest gelegt war, wurde bald umgeworfen; Autofahrer eroberten sich Parkraum zurück, indem sie die großräumig aufgestellten Parkverbotsschilder erst verschoben und dann ganz entwendeten; immer Mal wieder polterten Betrunkene oder lichtlose Fahrradfahrer in die Grube. Gestern jedoch stand plötzlich ein Baufahrzeug vor der Tür. Innerhalb von zwei Tagen gelang nun das, worauf alle Anwohnerinnen und Anwohner vier Monate lang warten mussten: Die knapp 15 m² große Fläche bekam einen neuen Straßenbelag. Danke, Straßenbauamt!
Der Fall der Mauer scheint 20 Jahre später die Menschen in aller Welt stärker zu beschäftigen als je zuvor. Heute bin ich im Büro gefragt worden, ob ich da etwa einen Berliner Bären mit Panzer-Sperre und Wurfsternen auf dem Schreibtisch zu stehen hätte. Nein, liebe Leute, das ist doch nur ein TU-Matheon-Buddy-Bär - und das, was er hoch hält oder an Tattoos trägt, ist reine Geometrie. Sonst nüscht! Und wehe, Herr Walesa kommt vorbei und kippt ihn um: