Die Tage werden kürzer, der nächste Winter kommt bestimmt. Da sollte man mal darüber nachdenken, ob das Haus ordentlich gedämmt ist. Dieser Eigentümer aus der Danneckerstraße meint es ernst mit der Energiewende und geht vorbildlich voran.
Hinterher ist alles quadratisch, praktisch, gut und hermetisch verpackt!
Es begann damit, dass ich vor einigen Tagen bei Iheartberlin einen Blogpost fand mit dem Titel I heart Rigaer Straße. Darin gibt es eine Fotostory mit lustigen Texten und ganz netten Bildern aus der Rigaer Straße - obwohl es in dem Beitrag wohl vordergründig um Mode geht.
Das fiel mir spätestens auf, als ich die Kommentare las: Da hatten sich einerseits die herrlich Naiven verewigt, die nun alles gleich "great" fanden oder ihre Hoffnung äußerten, dass nun dieses oder jenes Stückt tatsächlich noch zu haben sei. Und andererseits missionierten die herrlich Aufgeklärten, die dem Autor empfahlen, erst einmal einen Kurs in "Gentrifizierung" an einer ordentlichen Hochschule zu besuchen, weil ein so Stück über Mode in Zusammenhang mit der Rigaer Straße nur dazu führen könne, dass diese dem Niedergang geweiht sei und alle Bewohner demnächst ausziehen müssen.
Es ist also mittlerweile ein Politikum, wenn in der Nachbarschaft ein Fotoshooting stattfindet. Deshalb schaute ich heute ganz genau hin, als ich Zeuge eines Solchen wurde: In der Durchfahrt hinter dem Haus hatten sich fünf sorgsam aufgetakelte Teenager zu einer Art Stillleben versammelt, arrangiert von einer huttragenden Regisseurin mit "YSL"-Shirt. Ein Fotograf bastelte noch seine Ausrüstung zusammen und zwei weitere Begleiter - Typ Berufsjugendliche - waren auffallend bemüht, den vermeintlichen Ghetto-Style der "Location" durch cooles Gehabe aufdringlich zu betonen.
"Entspannt Euch"
Die Kids taten mir leid. Sie hatten alberne T-Shirts oder alberne Haare oder ein albernes Skateboard. Manche konnten gleich mehrere dieser albernen Dinge ihr Eigen nennen. Sie posten an einem Pfeiler, an den sonst die Hunde und besoffene Kneipengänger pissen. Und jedes Mal, wenn ein Auto die Engstelle passierte, mussten sie schnell zur Seite treten und die ganze mühsame Inszenierung, die Posen und die Grimassen, die sie sich auf Anweisung der Regisseurin aufgesetzt hatten, gerieten wieder durcheinander.
Plötzlich kam der Befehl: "Pause, entspannt Euch!" Die Bande räkelte
sich, als ob sie stundenlang in einer engen Röhre gesteckt hätte.
Scheinbar ist das Arbeitsleben eines Teeniestars echt anstrengend.
Danach durfte jeder noch einmal sein T-Shirt mit dem wichtigen Logo
zeigen, das dann auch fotografiert wurde. Bevor es anschließend auf
das Dach ging, sollten zwei der Jungs auf ein Skateboard steigen und
einige Moves zeigen - was sie aber nun einmal überhaupt nicht konnten.
Egal. "Okay, Baby," rief die Regisseurin, dann rumpelte der Teen heran.
Zur Untermalung stimmte einer der begleitenden Berufsjugendlichen, der
sich offenbar mittlerweile langweilten, den Hit "I believe I can fly" an
und versuchte ansatzweise für eine Sekunde auf einem Bein zu stehen und
dabei die Arme auszubreiten, bevor er fast hinplotzte. Naja, wenn´s hilft. Ich fühlte mich
jedenfalls bestens unterhalten. Vielleicht sollte ich auch einmal so
einen Gentrifizierungskurs besuchen?
Zur Stunde läuft wieder der Demo-Klassiker zur Fete de la Musique durch Friedrichshain: "Musik braucht Freiräume". Zum 21. Juni wird seit einigen Jahren dafür demonstriert, dass kulturelle Freiräume und Raum für nichtkommerzielle Kultur und alternative Lebensformen in Friedrichshain erhalten wird. Außerdem lautet natürlich wieder eine Forderung, dass die Fete de la Musique nicht schon um 22:00 Uhr enden muss...
Hier ein Eindruck von der diesjährigen Demo
Sevicewagen von Vattenfall an einer Verteilerstation in der Liebigstraße
Am Mittwochabend gab es zwischen etwa 22:30 und 23:30 Uhr einen Stromausfall in Friedrichshain, von dem laut Vattenfall die Gegend um die Gabelsbergerstraße, Rigaer Straße, Liebigstraße, Zellestraße und Weidenweg betroffen waren. Die Straßenbeleuchtung fiel ebenfalls weiträumig aus. Teile dieses Gebietes waren in diesem Jahr bereits zum dritten Mal betroffen. Zum wiederholten Mal arbeiteten Störungsteams von Vattenfall an Verteilern in der Liebigstraße, um die Stromversorgung wieder herzustellen.
In der Rigaer Straße wurde unterdessen die Dunkelheit genutzt, um einen Zebrastreifen auf die Kreuzung zur Liebigstraße zu pinseln. Dieser wurde von tageszeituntypisch vielen Fußgängern/innen frequentiert, die zum Teil nur sehr kurze Besorgungen auf beiden Seiten der Straße verrichteten und danach sofort wieder umkehrten. Auf der Proskauer Straße gab es einen Verkehrsunfall mit einem verletzten Radfahrer. Ob die fehlende Straßenbeleuchtung eine Rolle spielte, ist allerdings unklar. Die Polizei war mit auffällig vielen Streifenwagen vor Ort. Zebrastreifen in der Rigaer Straße
Beim Besuch einer an sich äußerst friedlichen Veranstaltung im
brandenburgischen Bärenklau sehe ich dieses Plakat und frage mich, ob
sich jemand bei der Erfindung des Labels "pro agro" genügend Gedanken
gemacht hat.
Die Schlecker-Beschäftigten werden schlecht behandelt und nun haben einige offenbar keinen Bock mehr auf Maloche: Der Laden in den Rathaus-Passagen blieb heute "wegen Krankheit" geschlossen. Richtig so.
Gentrifizierung - Verdrängung von alten Menschen und Menschen mit niedrigen Einkommen - ist in aller Munde. In Friedrichshain sind derzeit sehr viele Mietshäuser von Umwandlung in Eigentum betroffen oder Gegenstand von Spekulationsgeschäften. Kaum eine Straße, in der nicht gleich mehrere Häuser eingerüstet sind. Dort treffen polnische, ungarische oder tschechische Kleinunternehmer - sprich: Bauarbeiter - auf westdeutsche Neubesitzer - ein mehr oder weniger fröhliches East meets West. Es gibt allerdings auch immer wieder Medienberichte über Wohnungsbauprojekte für Menschen mit geringem Einkommen in Friedrichshain und der nahen Umgebung:
Das "Mietermagazin" des Berliner Mietervereins stellte in der Ausgabe vom Mai 2012 unter dem Titel "Bürohaus-Umbau in Lichtenberg - Aprilscherz Discount-Wohnen" ein Bauvorhaben an der Frankfurter Allee 216 in Lichtenberg vor. Ein alter - früher als Bürohaus genutzter - Plattenbau wurde dort von der "Gesellschaft für Immobilien-Projektentwicklung und
Unternehmensberatung" (GPU) aus dem Westerwald zum Wohnhaus umgebaut. Für 15 Millionen
Euro wurden - so heisst es - 438 kleine Einzel-Apartments in den tristen Bau eingebaut, der zwischen der sechsspurigen Frankfurter Allee und den Bahngleisen am Bahnhof Lichtenberg liegt. Die Mieten betragen laut Mietermagazin zwischen knapp 12 und bis zu über 14 Euro pro Quadratmeter. Der Blick auf die Tankstelle vor dem Haus ist umsonst...
Das Haus hat eine bewegte Geschichte: Nach einer sehr langen Bauzeit, die von Pannen geprägt war, wurde es Ende der achtziger Jahre fertig gestellt und zunächst von der Reichsbahn als EDV-Zentrum, später von der Deutschen Bahn genutzt.Über zehn Jahre stand es leer und sollte abgerissen werden. 2009 erwarb es die GPU, die auf dem Gelände ein "Fachmärkte-Zentrum" errichten wollte. Noch im März 2010 berichtete die "Berliner Morgenpost" über den geplanten Baustart. Dann wurde jedoch die Entscheidung für den Umbau des tristen Elfgeschossers zu einem Wohnhaus für "Studenten und Singels" getroffen, die "nicht viel Geld fürs Wohnen ausgeben können".
Für eine ähnliche Zielgruppe soll demnächst ein Haus am äußersten östlichen Rand Friedrichshains vermarktet werden: In der Pettenkofer Straße 31 feierte kürzlich die Sanus AG Richtfest für ein "Studentenhaus". Die "Berliner Woche" vom 30. Mai 2012 berichtet von 22-50 Quadratmeter großen und möblierten Apartments. Der Mietpreis soll bei erstaunlichen zwölf bis 16 Euro liegen. Als besondere Highlights des Gebäudes werden ein Fahrradraum und ein "High-Speed Internetanschluss" gepriesen.
Dabei haben Studierende in Berlin die Möglichkeit, für gut die Hälte der Quadratmetermiete in Wohnungen des Studentenwerks unterzukommen. Acht bis neun Euro pro Quadratmeter kosten Apartments in den Wohnheimen Victor Jara oder Spandauer Damm. Standardmäßig gehören hier ein Party- und ein Waschmaschinenraum, Sportanlagen wie Beachvolley- oder Basketballfelder, Tischtennisplatten oder ein Fitnessraum zur Ausstattung. Zwar liegen die Häuser nicht in ganz so hippen Stadtteilen, aber dafür auch nicht in unmittelbarer Nähe von Bahnanlagen. In beiden Häusern sind Wohnungen verfügbar.Bleibt die Frage, für wen die angeblichen "Discount-Wohnungen" gebaut wurden?
Einige Wochen hing in der Liebigstraße eine Videokamera, die den öffentlichen Raum erfasste. Seit einigen Tagen ist sie abgebaut. Nur noch zwei Kabel ragen aus der Fassade, wo die Kamera hing.