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Dienstag, Juni 26, 2012

Fotoshooting

Es begann damit, dass ich vor einigen Tagen bei Iheartberlin einen Blogpost fand mit dem Titel I heart Rigaer Straße. Darin gibt es eine Fotostory mit lustigen Texten und ganz netten Bildern aus der Rigaer Straße - obwohl es in dem Beitrag wohl vordergründig um Mode geht.
Das fiel mir spätestens auf, als ich die Kommentare las: Da hatten sich einerseits die herrlich Naiven verewigt, die nun alles gleich "great" fanden oder ihre Hoffnung äußerten, dass nun dieses oder jenes Stückt tatsächlich noch zu haben sei. Und andererseits missionierten die herrlich Aufgeklärten, die dem Autor empfahlen, erst einmal einen Kurs in "Gentrifizierung" an einer ordentlichen Hochschule zu besuchen, weil ein so Stück über Mode in Zusammenhang mit der Rigaer Straße nur dazu führen könne, dass diese dem Niedergang geweiht sei und alle Bewohner demnächst ausziehen müssen.
Es ist also mittlerweile ein Politikum, wenn in der Nachbarschaft ein Fotoshooting stattfindet. Deshalb schaute ich heute ganz genau hin, als ich Zeuge eines Solchen wurde: In der Durchfahrt hinter dem Haus hatten sich fünf sorgsam aufgetakelte Teenager zu einer Art Stillleben versammelt, arrangiert von einer huttragenden Regisseurin mit "YSL"-Shirt. Ein Fotograf  bastelte noch seine Ausrüstung zusammen und zwei weitere Begleiter - Typ Berufsjugendliche - waren auffallend bemüht, den vermeintlichen Ghetto-Style der "Location" durch cooles Gehabe aufdringlich zu betonen.
"Entspannt Euch"
Die Kids taten mir leid. Sie hatten alberne T-Shirts oder alberne Haare oder ein albernes Skateboard. Manche konnten gleich mehrere dieser albernen Dinge ihr Eigen nennen. Sie posten an einem Pfeiler, an den sonst die Hunde und besoffene Kneipengänger pissen. Und jedes Mal, wenn ein Auto die Engstelle passierte, mussten sie schnell zur Seite treten und die ganze mühsame Inszenierung, die Posen und die Grimassen, die sie sich auf Anweisung der Regisseurin aufgesetzt hatten, gerieten wieder durcheinander.
Plötzlich kam der Befehl: "Pause, entspannt Euch!" Die Bande räkelte sich, als ob sie stundenlang in einer engen Röhre gesteckt hätte. Scheinbar ist das Arbeitsleben eines Teeniestars echt anstrengend. Danach durfte jeder noch einmal sein T-Shirt mit dem wichtigen Logo zeigen, das dann auch fotografiert wurde. Bevor es anschließend auf das Dach ging, sollten zwei der Jungs auf ein Skateboard steigen und einige Moves zeigen - was sie aber nun einmal überhaupt nicht konnten. Egal. "Okay, Baby," rief die Regisseurin, dann rumpelte der Teen heran. Zur Untermalung stimmte einer der begleitenden Berufsjugendlichen, der sich offenbar mittlerweile langweilten, den Hit "I believe I can fly" an und versuchte ansatzweise für eine Sekunde auf einem Bein zu stehen und dabei die Arme auszubreiten, bevor er fast hinplotzte. Naja, wenn´s hilft. Ich fühlte mich jedenfalls bestens unterhalten. Vielleicht sollte ich auch einmal so einen Gentrifizierungskurs besuchen?
"Okay, Baby!"