Gestern sah ich eine Online-Anzeige, in der eine Wohnung in der Rigaer Straße in Friedrichshain angepriesen wird unter der Überschrift: "Erstbezug im schönen Prenzelberg". Schön, denke ich mir: Leute, die "Prenzelberg" sagen, sagen auch: "Das muss besser kommuniziert werden!" Oder: "Da schlagen wir auf". Oder: "Finalisieren". Und solche Leute haben gemeinhin ein ziemlich großes Maul, aber leider meist keine Ahnung. Sie wissen nicht einmal, dass Friedrichshain etwas grundlegend anderes ist als Prenzlauer Berg. So wie Mecklenburg etwas anderes ist als Vorpommern oder Garmisch etwas anderes ist als Partenkirchen oder erst recht Baden etwas ganz anderes ist als Württemberg und dass das Gleiche noch längst nicht das Selbe ist. Leute, die "Prenzelberg" sagen, wissen vermutlich nicht, dass der Stadtbezirk eigentlich Prenzlauer Berg heißt und vermutlich sagen sie auch "Frisco" statt San Francisco oder "Kitz" statt Kitzbühel. Und dann mieten sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem überteuerten Preis eine billig sanierte Altbauwohnung mit Parkett-Imitat, Plastefenstern und Einbauküche Marke "Guantanamo", die im falschen Stadtbezirk liegt - eben so wie die Wohnung aus der Anzeige. Ob sie wenigstens wissen, wo Guantanamo liegt? Andererseits: Vielleicht sollte ich den Tatsachen ins Gesicht sehen: Solche Leute haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Immobilienmarkt und - egal ob sie recht haben oder nicht: Wenn sie es wollen, wird Friedrichshain eben "Prenzelberg". Der Bezirk - oder im Neusprech: das "Quartier" - wandelt sich merklich. Und so stelle ich mir die bange Frage: Sind wir nicht alle schon irgendwie "Prenzelberg"?
Gestern traf ich Julius im Treppenhaus, der sich - wie ich - darüber ärgert, dass die Leute vom Kiosk nebenan mittlerweile fast jeden Tag bei uns im Garten grillen, in den Hof pissen, lärmen und Rauchschwaden durchs ganze Haus ziehen lassen. Vorgestern brannte in der Gärtnerstraße nicht nur ein Grill, sondern ein Audi A4. Und dass der Brand in der Rigaer 84, der das ganze Haus unbewohnbar machte, Brandstiftung war, ist mittlerweile auch klar. So zündet sich im Friedrichshain also jeder das an, was ihm - oder dem Nachbarn - das Liebste ist: Grill, Auto oder Haus. Da es zunehmend schwieriger wird, den Überblick zu behalten, haben junge kreative Menschen mittlerweile eine innovative Webseite gebastelt, auf der jedes abgefackelte Auto als kleiner Feuerpilz in eine Berlin-Karte eingezeichnet ist. Wäre das nicht auch medienpreiswürdig gewesen? Oder haben die Macher der Seite den Audi gar selber angezündet, um sich pünktlich zur Verleihung des Grimme Online Awards ins Gespräch zu bringen?
Betrunkener Sarkozy verkündet nach Treffen mit Putin: Rettung der Welt gelungen Im Proskauer Straßenhaus sammelt sich regelmäßig jede Menge Sperrmüll an. Und da die Hausverwaltung diesen nicht immer sofort abfahren läßt, bietet sich im Hof oder Durchgang oft das Bild einer Möbelausstellung: Ein altes Sofa, Reste eines Tisches oder von Stühlen, oft auch alte Fernseher oder sogar Computer sind dort meist zu finden, so dass im Prinzip sofort jemand einziehen könnte. Jüngst war mal wieder so eine Sperrmüllabfuhr, bei der der ganze Schrott abgeholt wurde. Dies habe ich zum Anlass genommen, auch die eigene Wohnung einmal wieder etwas aufzuräumen. Dabei sind mir vor allem alte Zeitungen in die Hände gefallen. Und anders als bei dem Schrott im Hof, der von allem etwas bietet, waren die Zeitungsartikel, die mir so auffielen, eher monothematisch: neben dem G8-Gipfel, bei dem es angeblich um die Probleme dieser Welt gehen sollte, nahmen Second Life und Gliese 581c in den letzten Wochen einen beachtenswert großen Raum in den Medien ein: Eine Immobilienmaklerin wurde im Second Life sexuell belästigt; ein Mann wurde bei einem virtuellen Deal um einige reale hundert Euro betrogen. Die "Süddeutsche" berichtete am 5./6. April, dass das FBI Spielcasinos in der Second-Life-Welt untersuchte, um Verstößen gegen US-Recht auf die Spur zu kommen. Der "Spiegel" berichtete ausführlich über die Lebensbedingungen auf Gliese 581c, dem kleinsten der bisher entdeckten Exoplaneten mit einem geschätzten etwa anderthalbfachen Erddurchmesser, der von der "Bild" oder "B.Z." (beide nicht in unserem Haushalt zu finden!) schon als "zweite Erde" gefeiert wurde. Schön, dass der Gipfel in Heiligendamm die Probleme auf diesem Planeten alle gelöst hat, so dass sich die Menschheit nun in die Parallelwelten zurück ziehen kann. Oder doch nicht? In der jüngsten Ausgabe des "Spiegel" ist zu lesen, dass bei den Berechnungen zu Gliese 581c vergessen wurde, eine Atmosphäre zu berücksichtigen. Wie das passieren konnte, frage ich mich. Schließlich ist das Vorhandensein einer Atmosphäre doch äußerst wichtig für eventuelles Leben? Nun gut: Legt man das Vorhandensein einer Atmosphäre zugrunde, ergeben die neuen Berechnungen, dass der Planet viel zu heiß wäre. Wasser wäre nur in gasförmiger Form vorhanden, Leben nicht möglich, Gliese 581c unbewohnbar.
Die Schäuble-Schablone mit dem Slogan "Stasi 2.0" ist zurzeit unermüdlich im Einsatz - hier war sie es in der Revaler Straße. Das Foto ist dem Blog Modersohn-Magazin entnommen.