Auf in den Straßenkampf!
Morgen gilt es also nun: Kreuzberg-Friedrichshain zieht in den Straßenkampf. Es geht um nichts Geringeres als um die Ehre: Um die von Rudi Dutschke oder die des Bäckermeisters Jakob Koch. Soll ein Teil der Kochstraße umbenannt werden in Rudi-Dutschke-Straße, ja oder nein?
Das Bezirksamt ruft das Wahlvolk zum Bürgerentscheid an die Urnen. Die Stadtoberen machen ihre geistige Nähe zu dem Revolutionär durch eine total verquast formulierte Abstimmungsfrage deutlich:
"Stimmen Sie für den durch Bürgerbegehren beantragten Bürgerentscheid? `Das Bezirksamt wird aufgefordert, die Umbenennung eines Teils der Kochstraße in Rudi-Dutschke-Straße zurück zu nehmen.´"
Alles klar? Also wenn ich beispielsweise für Dutschke bin (was ja wohl - außer für die Anwohner/innen der Kochstraße - die einzig vernünftige Wahl ist?), wie muss ich diese Frage beantworten? Mit "Ja"? Mit "Nein"? Da komme ich trotz eines abgeschlossenen Hochschulstudiums gedanklich ins Trudeln. Es kann doch nicht wahr sein! Wer ist für so eine Formulierung verantwortlich? Wahrscheinlich ein Kreuzberger!
Da ist es doch hier im proletarischen Friedrichshain besser. Die hiesigen Umbenennungen nach der "Wende" gingen ohne derart demokratischen Firlefanz über die Bühne. Da hat Diepgen einfach verfügt - und schwups: schon hing Lenin am Haken und sein Platz hieß nach den Vereinten Nationen, Dimitroff hieß wieder Danziger und so weiter.
Wobei ich bei einem Nachtrag zum letzten Post angelangt wäre: Einen weiteren Sturmschaden habe ich gestern in einer anderen umstrittenen Friedrichshainer Straße entdeckt: In der Karl-Marx-Allee fielen wieder einmal Kacheln aus den Stalinbauten. Dabei waren die Fassaden der Allee doch erst vor einigen Jahren saniert worden. Und schon fallen die Kacheln wieder wie zu besten Ostzeiten.
Tanz auf dem Orkan
Berlin ist ein Tropenparadies: Lauter hippe Leute, an jeder Ecke eine Strandbar, mal ab und zu ein Sturm. Im Grunde hat die Proskauer Straße den Orkan gestern gut überstanden. Birgit moniert zwar, irgendwann wäre ein Riesending von Blumentopf runtergedonnert und hätte ihre Nachtruhe gestört. Im Hof war außer der Riesenpfütze, die unter dem kaputten Fallrohr der Regenrinne entstanden ist, heute morgen nichts Verdächtiges zu sehen. Vielleicht ist der Kavenzmann - wie man so sagt - im Nachbarhof niedergegangen.
Bei Lichte besehen gab es im Haus gestern nur eine Schrecksekunde: Das war dann, als einer von Fichtes döseligen Mitwohnis versucht hat, "die Pfanne sauber zu machen". Ich wurde durch beissenden Gestank und Rauch im Treppenhaus auf die seltsame Aktion aufmerksam, die aber im Grunde auf eine gute Absicht zurückzuführen war.
Auch den armen neuen Hauptbahnhof hat der Sturm etwas mitgenommen. Heute erinnert er an den Palast der Republik, der sich ebenfalls im "Rückbau" befindet. Vielleicht hätte man die "Bügelbauten" in der Bauphase doch nicht so einfach Larifari über die Gleise kippen sollen?
Egal, heute scheint die Sonne wieder und es hat angenehme 13 Grad - eben so, wie es sich für einen Wintertag im Tropenparadies gehört. Was kümmern mich ein paar lose Stahlstreben am Bahnhof? Ich fahr Rad.
Schneemann
Ist ja wieder einmal typisch: Überall 15 Grad in Berlin - nur in der Proskauer Straße steht ein Schneemann. Und das schon seit ein paar Tagen.
Dabei werden bei mir im Keller langsam die Kohlen knapp. Ich habe bisher nur die Reste vom letzten Winter verfeuert und bisher noch gar nichts bestellt. Seit Birgit weg ist, habe ich schon nicht mehr geheizt. Ohne dass ich frieren müsste. Auch Fichte hält es so - hat er mir vor einigen Tagen erzählt. Schön. So herrscht Einigkeit in der Proskauer Straße und dass die Russen die Pipeline dicht machen, stört unsere Kachelöfen gar nicht!