"Schlichter Flur"
Ab und zu klingelt das Telefon und es sind irgendwelche Umfragetypen dran, die uns ausfragen wollen. Meist sage ich dann, dass alle Mitglieder des Haushalts entweder bei Lidl, der Telekom oder der Deutschen Bahn arbeiten würden und man doch dort bitte nachfragen möge; unsere Arbeitgeber hätten alle Informationen über unsere persönlichen Lebensverhältnisse in übersichtlichen Dossiers gesammelt.Mitunter habe ich ob dieser kleinen Notlüge jedoch ein schlechtes Gewissen. Zu Ostern beispielsweise: Als Mitglied der Informationsgesellschaft freue ich mich dann nämlich über die fröhliche Auferstehung einiger der gesammelten Daten, die leider ohne mich erhoben werden mussten.
So lese ich heute in der Zeitung das Ergebnis einer wichtigen IPSOS-Umfrage, den deutschen Flur betreffend. Wichtigstes Ergebnis: Die Deutschen bevorzugen einen schlichten Flur!
65 Prozent geben an, dass der Flur "einfach nur praktisch" sein muss. Als Ideal gilt ihnen eine Ausstattung, bestehend aus Garderobe, Schlüsselbrett und Schuhregal.
Auf unseren Haushalt bezogen entdecke ich in dieser Aussage allerdings einen krassen Widerspruch: Die Vokabeln "schlicht" und "Schuhregal" wollen einfach nicht zusammen passen. Ein Schuhregal, das alle unsere Schuhe aufnehmen wollte, müsste entweder nahezu Imelda-Marcos´sche Ausmaße oder die physikalischen Eigenschaften eines schwarzen Loches haben. Letztere sind ja bekanntlich dadurch gekennzeichet, dass sie bei erheblicher Masse räumlich doch recht begrenzt sind.
60 Prozent stimmen darüber hinaus der Aussage zu, dass der Flur eine "Visitenkarte" darstelle und "sauber und ordentlich" zu sein habe.
Befremdlich. In meinem Bekanntenkreis kenne ich kaum jemanden, der so etwas sagen würde. Möglicherweise wurden aber auch nicht so viele Haushalte in Friedrichshain befragt.
42 Prozent verstärken die vorige Aussage noch mit der Behauptung, sie würden "schon beim Heimkommen schlechte Laune bekommen, wenn hinter der Wohnungstür Unordnung herrsche".
Das ist zwar nicht besonders sympathisch, würde aber immerhin den hohen Anteil mies gelaunter Menschen in dieser Stadt erklären.
50 Prozent schmücken den Flur passend zur Jahreszeit.
Bitte? Was soll das denn? Habe ich bisher nur in Kindergärten gesehen. Also, es kommt natürlich schon vor, dass bei uns im Herbst mal ein paar Blätter an den Schuhen mit reingetragen werden (besonders, wenn vorher ein Hund raufgekackt hatte) oder im Winter Granulat. Aber als Schmuck haben wir das bisher nicht verstanden.
34 Prozent räumen noch einmal extra auf, wenn Besuch kommt.
Naja, da würde ich mich unter Umständen dazu zählen. Kommt aber ganz auf den Besuch an.
Ebenfalls 34 Prozent geben ehrlich zu, dass bei ihnen der Flur als eine Art "Zwischenlager für die verschiedensten Dinge der Familie" genutzt wird.
Das halte ich für die einzig vernünftige Einstellung. Schließlich zahlt man Miete für den Platz und demonstriert durch eine intensive Nutzung, dass man in Zeiten der Krise wirtschaftlich vernünftig handeln kann.
16 Prozent geben an, dass in ihrem Eingangsbereich das reine Chaos herrscht.
Wahrscheinlich kommen sie nicht zum Aufräumen, weil sie den ganzen Tag mit der Beantwortung von Telefonumfragen beschäftigt sind.
2 Comments:
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Zum Thema schlichter Flur:
http://schwabengulag.twoday.net/stories/4998921/
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