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Sonntag, Januar 11, 2009

Wir alle bei Karl und Rosa


Wo werden Fahnen von DKP, der Linken, IG Metall, türkischen Kommunisten, MLPD, SAV, Palästinensern und attac gemeinsam geschwenkt?
Wo erklingen Choräle, die "Internationale", orientalische Kampflieder und Rap hintereinander, durcheinander und miteinander?
Klar, auf der Karl-und-Rosa-Demo im Friedrichshain. Früher hat mich das Spektakel eher genervt, weil es doch ziemlich laut ist - zu laut für einen Sonntagmorgen nach meinem Geschmack. Aber seit wir die Wohnung an der Stalinallee haben, kann ich die Parade direkt vom Balkon aus abnehmen und bin begeistert!
Angeführt haben den beeindruckenden Zug, der sich über die gesamte Länge der Frankfurter Allee zwischen Frankfurter Tor und Proskauer Straße hinzog, die Kommunisten alter Schule: mit einem ordentlichen Front-Transpi und schön einstudierten, sauber dargebotenen Chorälen sowie kämpferischen Redebeiträgen. Dahinter gruppierte sich eher so eine Art Spaßguerilla mit allerlei bunten Fahnen und Transpis und einem Lauti, der eine Musik spielte, wie ich sie aus den berüchtigten Schneebars in österreichischen Skigebieten kenne; Super-Mucke gegen die Kälte, zumal wenn man noch einen Glühwein dazu trinkt - aber leider nur bedingt kompatibel mit den Chorälen der Kommunisten.
Auch Palästina war in Bild und Ton vertreten mit Fahnen, Transpis und ebenfalls kämpferischer Musik.
Ein Attac-Aktivist stieß etwas verspätet (und wahrscheinlich ja noch mit Müsli im Bart ;-)) von der Proskauer Straße her mit seiner Fahne auf den Zug. Besonders gefreut habe ich mich außerdem über einen einsamen Fahnenträger der SAV. Erst dachte ich: Boah - Micha ist so früh aufgestanden! Ich habe ihn natürlich sofort angerufen. Nach mehrmaligem Klingeln meldete sich eine verschlafene Stimme: "Nee, hab´ick nich jeschaftt. War jestern noch bei dem Karl-und-Rosa-Symposium in der Urania, dann hinterher uff der Party und erst um dreie in´t Bette rein."
Und so zog sich der lange Zug ohne Micha dahin: Mit Trommlern, einem Rapper, einem "Offenen Mikrofon", wo jede/r, die oder der wollte drei Minuten lang sprechen durfte (erster Beitrag: "Ja, also ich komme aus Wuppertal und finde das total wichtig hier und ich grüße Berlin..."). Und bei dieser Gelegenheit wurde mir auch klar, dass die Veranstaltung gar nicht so altbacken und überkommen ist, wie ich früher zugegebenermaßen manchmal dachte. Nein, es gibt durchaus moderne Elemente, zum Beispiel, dass es neben Karl und Rosa noch einen Gaststar gibt, dem die Demo gewidmet ist. Ich kenne das noch aus der Muppet-Show, bei der früher auch jedesmal neben Miss Piggy und Kermit ein realer Promi auftrat. Dieses Jahr war es Lenin. Und die junge Frau, die als Zweite an das offene Mikrofon trat, zeigte sich dann auch beeindruckt davon, wie Rosa und Wladimir gegen Unterdrückung und Ausbeutung gekämpft hätten. Zum Schluss wurde noch "Bella Ciao" gesungen. Christian Klar habe ich übrigens nicht entdeckt.