Bildungsgipfel
Heute war wieder so ein Tag, an dem sie mit einer nahezu unlösbaren Frage auf mich zukam: "Wie zitiere ich korrekt in einer wissenschaftlichen Arbeit?" Insbesondere die Verwendung des Konditional 2 interessierte sie. Mit dem Thema füllen Profs ganze Semester. Wie sollte ich ihr das so nebenbei zwischen den noch zu erledigenden Telefonaten und Weihnachtseinkäufen erklären?
Sie spürte wohl meinen Unwillen und wir schoben erst einmal eine Pizza in den Ofen. Dann kam sie auf ein anderes Thema: "Warst Du mal auf dem K8?" Ich schaute blöd. Sie frug erneut: "Äh? Oder K9?" Ich spürte, wie die Luft um mich herum dünn wurde. Sie wusste, dass ich gern auf Berge steige. Aber sie würde doch nicht im Ernst meinen... Dennoch fragte ich zurück: "Du meinst den Berg, den K2?" - Ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht sagte mir, dass wir uns verstanden. Gern hätte ich jetzt künstlichen Sauerstoff gehabt. Ich antwortete: "Alexandra, der K2 ist der zweithöchste Berg der Erde, weit über 8000 Meter hoch. Da steigt man nicht so einfach mal rauf." "Ach ja, der zweithochste," sagte sie mit in ihrem charmanten Akzent. "Der hochste ist der Himalaja - oder?" "Mount Everest." "Wie?" "Mount Everest, 8850 Meter." "So hoch?"
Dann erzählte sie mir von einem Film, den sie kürzlich gesehen hatte. Ein berühmter "Aktor" hätte darin mitgewirkt, "Hannibal". Mir fielen zu dem Namen nur die Elefanten und die Alpen ein, wollte sie aber durch die Nennung eines weiteren Gebirges nicht allzu sehr verwirren. Es war auch egal, denn ihr war eigentlich nur die Schlüsselszene des Films wichtig, in der - Achtung, Konditional! - eine Liste mit zehn Dingen eine tragende Rolle spiele, die man im Laben zu erledigen habe. Darunter würde auch das Besteigen eines Berges fallen. Bei einem Abgleich mit ihrem Leben hätte sie festgestellt, dass sie noch nie einen Gipfel erklommen hätte und wollte nun von mir wissen, welche Erhebung eventuell in Frage käme.
Nachdem wir die Todesraten von Everest- und K2-Besteigungen geklärt hatten (meines Wissens nach 10- beziehungsweise 25 Prozent), wollte ich sie auf heimisches Terrain zurück führen, wo ich auch mehr Sicherheit bei den geographischen Kenntnissen vermutete: "Aconcagua", warf ich in die Diskussion, freilich ohne zu vermuten, dass der mit knapp 7000 Metern höchste Gipfel Südamerikas als ernsthaftes Ziel für sie in Frage käme. Wieder schaute sie fragend, antwortete dann aber zögernd: "Argentinien?" Der Triumph ließ sie unvorsichtig werden: "Oder das Matterhorn. Das ist der hochste Berg Europas, oder?" "Wie hoch?" "Was, Mont Blanc und - wie Elbrus? - sind höher?"
"Zugspitze? Wo ist die?"
So ähnlich stelle ich mir den Bildungsgipfel vor, zu dem Frau Schavan jüngst eingeladen hat.
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