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Freitag, Januar 06, 2012

Bellevue

Bei dem derzeitigen schlechten Wetter fahre ich manchmal mit der Bahn zur Arbeit statt mit dem Rad. Eine eher unbedeutende Station zwischen Hauptbahnhof und Zoo ist "Bellevue". Dort steigen nur wenige Menschen ein oder aus. Trotzdem mochte ich den Bahnhof früher eigentlich, denn als in den neunziger Jahren im damaligen SFB-Nachtprogramm Echtzeit-Mitfahrten in Führerständen der S-Bahn gezeigt wurden, sagte der Fahrer immer so schön "Bellewü", wobei er jeden Vokal betonte, auch den mittleren.
Heute ist das anders, denn die Ansage kommt vom Band und oft, wenn in diesen Tagen der Bahnhof angefahren wird, geht in den Zügen die Diskussion um den Wulff los. Die Touristen sind dabei am schlimmsten, obwohl sie doch Urlaub haben.
Gestern beteuerte zum Beispiel eine Frau mit unverkennbar norddeutschem Dialekt gegenüber ihrer Freundin - und quer durch den halben Wagen -, wie leid ihr die armen Sternsinger tun würden, die heute beim Wulff vor wahrscheinlich hunderten lauernder Journalisten singen müssen.
Meine Einschätzung ist da ganz anders: Die Gören sind doch wahrscheinlich ganz scharf drauf! Wer als Halbwüchsiger zum Herrn Bundespräsidenten geht, um harmlose Liedchen zu singen und eine Tür mit abwaschbarer Kreide zu bemalen, will, dass das abends in der Tagesschau kommt und am nächsten Tag in möglichst vielen Zeitungen steht. Einen anderen Grund gibt es doch nicht. Schließlich ist das nicht einmal in Ansätzen kriminell und die Kids haben also nichts zu befürchten. Viel schlimmer wäre es für sie, wenn da keine Journalisten wären.
Man soll da die Schüchternheit der Berliner Jugend nicht überschätzen. Vor der Rütli-Schule standen zeitweise auch hunderte Journalisten, ohne dass die Insassen damit überfordert waren.