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Mittwoch, Oktober 17, 2012

Mieterversammlung

Strangsanierung: "Der Hausmeester hat da die ollen Röhren ausjetauscht..."

Heute war nun also die Veranstaltung in der Galiläakirche über die Arbeiterpaläste in der Frankfurter Allee / Proskauer Straße, zu der der Mieterrat und das Stadtteilbüro Friedrichshain eingeladen hatten. Es ging um den Stand der Sanierung und die Perspektive der alteingesessenen Mieter/innen in den traditionsreichen Friedrichshainer Häusern.
Auf dem Podium saßen Rainer Wahls vom Stadtteilbüro, der von der Home Center beauftragte Architekt Stefan Golmitz, Marcus Giatsch vom Mieterrat und Bezirksbürgermeister Franz Schulz. Interessanter war fast die Zusammensetzung des Publikums - jedenfalls für mich, der ich das erste Mal bei einer solchen Veranstaltung war. Nach Eingangsstatements der Podiumsteilnehmer hatte die Plebs Möglichkeit, altbekannte Sorgen der Bewohner/innen in den Häusern Frankfurter Allee 5-27 und Proskauer Straße 38 noch einmal vorzubringen: Die Fenster in den Häusern sind undicht und werden nur in den Wohnungen der Neukäufer gegen neue getauscht, in den Badezimmern blühen Schimmel und Wasserflecken, an den Fenstern wachsen im Winter die Eisblumen; Nicht nur während der Biermeile pinkelt das Partyvolk in die Hauseingänge, innen im Treppenhaus fallen die Fahrstühle immer öfter aus; in den oberen Wohnungen lässt der Wasserdruck zu wünschen übrig - warm wird das Wasser erst nach längerem Durchlaufen; über mangelhafte Lüftungen und marode Fußbodenabläufe in den Bädern wurde geklagt.
 Fenster sind undicht oder fehlten - wie hier - in zahlreichen Wohnungen im letzten Winter komplett

Während der Vertreter des Mieterrates diese Mängel eher im Stile einer technischen Dokumentation leicht nuschelnd und viel zu leise herunterbetete, verstand es eine der älteren Mitbewohnerinnen, der Sache etwas mehr emotionale Würze zu verleihen: "Eine Demütigung ist es, was man hier den Ostberlinern antut!" Sie hätte nachdem Krieg in freiwilligen Arbeitseinsätzen nach Feierabend und am Wochenende ("sechs Stunden am Sonntag") Steine geklopft, Bombentrichter verfüllt, Trümmer beseitigt. Bei der Pionierrepublik sei sie dabei gewesen; Auch bei den Weltjugendspielen; Und Sportplätze hätten sie in Schuss gehalten. Auch die Allee sei damals in einem guten Zustand gewesen. Nun würde alles verfallen. Und ihre Klospülung gehe schon lange nicht. Ständig laufe das Wasser durch den Druckspüler. Aber wenn sie spülen wolle, bleibe selbst das Klopapier im Ablauf hängen. Für einen Spülkasten sei kein Platz und der Hausmeister hätte schon stundenlang erfolglos versucht, das Problem zu lösen. Eine Schande sei das. "Und nun kaufen die Ausländer unsere Wohnungen. Sogar Griechen kaufen hier Wohnungen. Haben die nicht andere Sorgen? Sollen die doch ihr Geld in ihrem Land investieren!" Sehr nach internationaler Solidarität und Pionierrepublik klang das nicht. Aber Beifall brandete auf.
Steinmetze bei der Sanierung der Terassen

Stefan Golmitz, der Architekt, hielt sich aus der politischen Folklore dankenswerter Weise heraus und steuerte einige sachdienliche Informationen bei: Nach derzeitiger Planung soll die Sanierung bis Juli 2013 abgeschlossen sein. Die Aufstockung der Penthäuser erfolge im nächsten Jahr. Die Sandstein-Arbeiten an den Terassen werden voraussichtlich schon in der nächsten Woche abgenommen. Die Strangsanierung sei zu 80 Prozent abgeschlossen. Im Wesentlichen werde nur noch an den vertikalen Rohren im Keller gearbeitet. Unerwartete bauphysikalische Probleme seien an der Vorderfront der Häuser Frankfurter Allee 25-27 aufgetreten. Der beim Bau verwendete Mörtel war sulfathaltig, weshalb ein spezieller Putz aufgetragen werden müsse. Weil die Lieferung etwas dauert, ruhen die Arbeiten derzeit. Bis Ende Dezember soll die Fassade - mildes Wetter vorausgesetzt - jedoch fertig sein. Gute Nachrichten gibt es bezüglich der alten Fahrstühle: Zwar werden sie komplett ausgetauscht, aber die schönen alten Holztüren bleiben erhalten. Die ersten zwei Aufzüge sollen demnächst umgebaut werden.

Von Ungarn lernen, heißt Fenster streichen: Mit diesem Pickup wurden aufgearbeitete Fenster angeliefert
Zwar kritisierte ein Mitarbeiter des Wahlkreisbüros der Abgeordneten Halina Wawzyniak, die für den Bezirk Friedrichshain im Bundestag sitzt, die Informationspolitik der Home Center: "Es gibt nicht einmal ein Baubüro, an das sich die Mieter bei Problemen wenden können." Ein Skandal sei es, dass kleinteiligste Probleme der Sanierung auf solchen Mieterversammlungen erörtert werden müssten. Dennoch gab es auch seitens des Mieterrates Lob für den Architekten, der ansonsten viel gegen die Home-Center gerichteten Unmut einstecken musste. "Ganz vernünftig" würden die Arbeiten ausgeführt, meinte ein Sprecher. Und an der Notwendigkeit von Instandhaltungsmaßnahmen zweifelte letztlich niemand. Von den ungarischen Arbeitern hätte er sogar gelernt, wie man Fenster streicht: "Das sind nicht unsere Feinde". Nur scheint die Eigentümerin Home-Center noch nicht begriffen zu haben, dass es letztlich auch in ihrem Interesse ist, ein gutes Verhältnis mit den Mietern/innen aufzubauen. Wohnungen in Häusern mit intakten Strukturen verkaufen sich nun einmal besser. Zumal der Verkauf zu stocken scheint. Noch befinde sich "ein großer Anteil" im Besitz der Home Center, so wurde gesagt. Ursprünglich wurde Kaufinteressenten mitgeteilt, dass die Mehrheit schon im nächsten Jahr an die neuen Eigentümer/innen übergehen solle. Doch die Berichterstattung über Missstände und die Umwandlung einiger Wohnungen in "Ferienwohnungen" wirkt abschreckend auf die solvente Kundschaft. Schon wirbt ein Makler an einem Schaufenster der Frankfurter Allee mit Quadratmeterpreisen ab 1850 Euro - ein Schnäppchen für Friedrichshainer Verhältnisse.
Bauschutt, Dreck und Graffiti schrecken Mieter wie Kaufinteressenten/innen gleichermaßen

So richtig scheinen besonders viele ältere Mieter/innen in der neuen Zeit noch nich angekommen zu sein. "Wat wurde denn da wieder die janze Zeit jeredet?", ereiferte sich eine alte Dame auf dem Heimweg: "Jing et da etwa um die Häuser? Ick hab det allet nich verstanden. Also dit war dit letzte Mal, dass ick bei soner Veranstaltung war. Der Bürjermeester hat och nur son unverständlichet Zeugs jequatscht. Wat kam denn da eijentlich bei raus?" Dann gab es noch eine Breitseite gegen die engagierte Nachbarin, die sich wortgewaltg an den Griechen gestört hatte: "Und die Erika hat wieder von ihre Klospülung erssählt. Dit hat se schon dit letzte mal. Dit da dit Klopapier nicht durchjeht. Der Hausmeester hat da die ollen Röhren ausjetauscht. Aber hinjekricht ham set alle nich. Also ick hätt ma lieba ssu Hause blei´m solln. Ick jeh da nich mehr hin!"