Das automatische Haus
Gestern war ich zur Geburtstagsparty eines alten Freundes eingeladen. Er ist mit seiner Frau vor einiger Zeit von Treptow in ein Eigenheim nach Lichterfelde gezogen. Das Haus hatten die beiden zuvor auf einem geerbten Grundsück gebaut. Bisher kannte ich nur dasModell aus Pappe, das monatelang in der alten Wohnung herumgestanden hatte. Nun war ich also das erste Mal dort. Dass sowohl die Außenanlagen als auch einige Details im Inneren noch nicht ganz fertig waren, überraschte mich nicht. Das ist wohl normal bei einem solchen Bauprojekt. Wundern musste ich mich allerdings über die zahlreichen elektrischen Verteilerdosen an Decken und Wänden und über einen riesigen Sicherungskasten im Foyer: "Borr, der ist aber groß", meinte ich zu einem anderen Partygast und deutete auf den Kasten, der ungefähr die Größe eines zweiflügeligen Spindes hatte. Der andere Gast, ein Ingenieur, stieg bereitwillig in die Fachdiskussion ein: "Das ist ja nicht nur der Elektrokasten, da ist auch der Bus drin." Ein Bus? Dafür kam mir der Kasten nun wieder etwas zu klein vor."Der Kah Enn Ix-Bus", mischte sich die Bauherrin ein. Ich wollte nicht unfreundlich sein, musste aber dennoch an dieser Stelle nachfragen: "Der Kann-Nix-Bus?" Ein umstehender Partygast, der offenbar mit der neuen Technik schon bekannt gemacht worden war, grinste herüber. "K-N-X ist ein Standard für die Steuerung von elektrischen Installationen in Gebäuden", wurde ich belehrt. Die Idee dahinter, so begriff ich langsam, ist es, die Stromversorgung und die Steuerung von Elektroinstallationen im Haus voneinander zu trennen."Es gibt im ganzen Haus keine Lichtschalter", sagte meine Gastgeberin: "Das Licht wird automatisch von Bewegungsmeldern gesteuert." An den Wänden waren kleine Konsolen mit Displays zu sehen, die Daten wie zum Beispiel die Temperatur anzeigten. Vom Schlafzimmer aus konnten alle Lichter im Haus zentral ein- oder ausgeschaltet werden; von der Badewanne aus waren bestimmte Lichtszenarien wählbar, die - so habe ich das verstanden - sogar zum Teil abhängig waren von der Wassertemperatur.
Ein automatisches Haus. Noch glänzte alles und roch ganz neu. Ich stellte mir jedoch vor, welche lustigen Pannen diese Technik in zehn oder 20 Jahren produzieren könnte, wenn vielleicht eines Tages das Licht verrückt spielen würde - und kein Aus-Schalter vorhanden wäre oder welches Theater es wäre, wenn beim Aufhängen eines Regals die Bohrmaschine versehentlich einmal eine Datenleitung treffen würde...
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