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Sonntag, August 04, 2013

Hermes, Götterbote, Europäisches Abendland und die Kunst des Lesens

"Wer lesen kann, ist klar im Vorteil," heißt es oft. Meist wird dabei verwchwiegen, dass die Nachteile des Analphabetismus oft auch Unbeteiligte treffen...
Vor einiger Zeit hatten wir LED-Spots über einen Versandhandel bestellt. Diese wurden über den Paketdienst "Hermes" verschickt. Die Lieferung kam nicht an. Stattdessen einige Tage später ein Brief der Götterboten mit folgendem Inhalt:
"[...] Leider konnten wir Sie nicht ausfindig machen. Möglicherweise :
- ist die angegebene Adresse falsch oder unvollständig
- steht Ihr Name nicht am Haus
- ist Ihre Anschrift schwierig zu finden (Hinterhaus, Kleingarten, Firmengelände etc.)
[...]"
Keine der Annahmen trifft zu: Die Adresse stimmt, unser Name ist deutlich angebracht und das Haus steht seit über 50 Jahren gut sichtbar mitten im Zentrum Berlins - ja, es wurde vor einiger Zeit sogar für die Unesco-Welterbeliste nominiert. Normalerweise erreicht uns die Post, selbst wenn es neblig ist in Berlin. Allerdings berichtete mir gestern eine Nachbarin, dass auch bei ihr Hermes-Pakete nicht ankommen.
Eins systematischer Fehler? Warum finden die Hermes-Boten unsere Adresse nicht? Laut Wikipedia ist Hermes der "Schutzgott des Verkehrs, der Reisenden, der Kaufleute und der Hirten, andererseits auch der Gott der Diebe, der Kunsthändler, der Redekunst, der Gymnastik" Von Lesen und Schreiben steht da nichts. Sollte es daran mangeln?
Der freundliche Mitarbeiter im Call-Center konnte das Rätsel auch nicht klären. Stattdessen schlug er pragmatisch vor, dass die Sendung in einem nahe gelegenen "PaketShop" in der Samariterstraße zur Abholung bereit gestellt werden könne.
Dort ewarteten mich zwei Pakistani. Sie hatten einige Pakete in ihrem Spätverkauf liegen und schauten ratos auf den Haufen, als ich mit meinem Abholschein kam. "Welcher Absender?", fragten sie. "Amazon". Ein Lächeln der Erleichterung zeigte sich in den Gesichtern: "Das haben wir gleich", meinte der Eine und steuerte zielsicher auf  ein Päckchen mit dem auffälligen Amazon-Schriftzug zu. Leider war es das Falsche. Der andere Dienstleister verlangte währenddessen meinen Personalausweis. Dieser war neu und nur scheckkartengroß. Deshalb ignorierte ich zunächst, dass es einige Zeit brauchte, bis Vor- und Rückseite, oben und unten unterschieden waren. Zur Sicherheit fragte der Mann zusätzlich noch einmal nach meinem Namen. Sein Kollege hatte mittlerweile ein Paket gefunden, das unsere Sendung war.
Mit dem Ausweis schien es aber noch irgendein Problem zu geben. Es wurde ein Scanner zur Hand genommen, darauf musste ich unterschreiben, dann wurde wieder geprüft und begutachtet, der Ausweis erneut zur Hand genommen. Ob etwas nicht stimme, fragte ich. "Einen Moment noch, ich erkläre das später", sagte der der Mann. Umständlich und offenbar etwas ratlos hantierte er dann wieder mit dem Handscanner herum, der nach irgendwelchen Daten von dem Ausweis verlangte.
Irgendwann war es dann so weit. Der Mann reichte mir mein Paket und hub zu seiner Erklärung an, die mich mittlerweile brennend interessierte: "Wissen Sie, die Kriminalität ist stark gestiegen, seit sich die christlichen Länder zur EU zusammen geschlossen haben. Da müssen wir jetzt ganz genau prüfen. Zwei Jahre arbeite ich jetzt mit dem Paketdienst zusammen. Und da ist es oft vorgekommen, dass Leute teure Sendungen mit gefälschten Vollmachten abholen".
Schön dass die Pakistaner das christliche Abendland so gut vor der Kriminalität schützen. Auch wenn bestimmte Dienstleistungen dann nur noch so gut funktionieren wie etwa in Pakistan.